Welche Medikamente verursachen Vitamin- und Mineralstoffmangel? Wenn Arzneimittel zu Biofaktoren-Räubern werden

Rentner nehmen im Durchschnitt 5,6 Medikamente ein. Bei Alters- und Pflegeheimbewohnern erhöht sich diese Zahl auf 9,3. Für jedes zusätzliche Arzneimittel steigt nach Aussage der Mediziner das Risiko für Hospitalisation, Pflegeheimeinweisung und Tod um 8,6 %.1

Vor dem Hintergrund dieser alarmierenden Zahlen sollte dem Einfluss der Arzneimittel auf den Biofaktoren-Status mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Viele Medikamente können Mangelerscheinungen verursachen und dadurch den Gesundheitszustand der Patienten erheblich verschlechtern.

Viele Arzneimittel können zu einem Biofaktoren-Mangel führen

„Der Einfluss von Arzneimitteln auf die Versorgung mit Biofaktoren, zu denen insbesondere Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente gehören, wurde bislang in Medizin und Pharmazie weitgehend vernachlässigt“, warnt Prof. Hans Georg Classen, Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren e. V. (GfB).Medikamente und Biofaktoren werden häufig über gleiche Transport- und Stoffwechselwege vom Organismus aufgenommen, verarbeitet und ausgeschieden. Wenn Patienten ein oder mehrere Arzneimittel einnehmen müssen, besteht für sie ein erhöhtes Risiko für negative Wechselwirkungen zwischen diesen Arzneimitteln und dem Biofaktorenstatus.

Antacida und Vitamin-B12-Mangel

Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zur Arzneimittelgruppe der Antacida und werden weltweit sehr häufig verordnet. Nahezu 50 % der älteren Menschen nehmen diese Säureblocker gegen Sodbrennen, Reflux, Gastritis und andere Magenerkrankungen regelmäßig und in der Regel über Jahre ein. Säureblocker hemmen die Aktivität der Belegzellen im Magen. Diese Belegzellen produzieren die Magensäure, die der Organismus allerdings benötigt, um Vitamin B12 aus dem Nahrungseiweiß zu lösen. Zudem bilden die Belegzellen den für die Vitamin-B12-Resorption notwendigen Intrinsic Faktor. Ein Vitamin-B12-Mangel droht. Wissenschaftler fordern daher regelmäßige Blutuntersuchungen, um einen Mangel des Biofaktors nachweisen zu können. Falls nötig, ist eine Vitamin-B12-Supplementation zu empfehlen, um Mangelsymptome wie körperliche und geistige Schwäche, kognitive Störungen, Depressionen, Anämie und neurologische Erkrankungen zu verhindern.

Säureblocker führen zu Mineralstoffmangel

Bei dem hohen pH-Wert aufgrund einer Therapie mit Protonenpumpenhemmern können Mineralstoffe, insbesondere Magnesium, sowie Spurenelemente wie Eisen nicht ausreichend resorbiert werden. Die Wissenschaftler der hier zitierten Studie betonen, dass Patienten mit einer langjährigen Antacida-Therapie einen Magnesiummangel entwickeln können und daher von einer Magnesium-Supplementation profitieren.

Auch wenn bislang kein Zusammenhang zwischen einer langjährigen PPI-Therapie und einer Eisenmangelanämie nachgewiesen werden konnte, empfahlen die Experten, bei Risikogruppen wie Veganern, Vegetariern, Senioren und Patienten mit Helicobacter-Infektion das erhöhte Risiko eines Eisenmangels durch Antacida im Auge zu behalten.  

Fazit für die Praxis: Kontrolle des Biofaktoren-Status wichtig
Der Einfluss von Arzneimitteln auf den Biofaktoren-Haushalt sollte insbesondere bei langjähriger Einnahme der Medikamente berücksichtigt werden. Betroffene Patienten sollten nach Meinung der Wissenschaftler regelmäßig untersucht werden, um einen arzneimittelbedingten Mangel der Biofaktoren festzustellen und bei Bedarf durch Supplemente auszugleichen. So können schwerwiegende Folgen eines Mangels an lebenswichtigen Biofaktoren verhindert werden.  


Literatur:

(1) Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2019; 19(04): 113-115
 

Lesen Sie auch das Review:

J. Frank, K. Kisters, OA. Stirban, S. Lorkowski, M. Wallert, S. Egert, MC. Podszun, JA. Pettersen, S. Venturelli, HG. Classen, J. Golombek.:

The role of biofactors in the prevention and treatment of age-related diseases. Biofactors 2021; 47: 522-550, IF 6.113

Weitere Informationen zu Arzneimitteln als Biofaktoren-Räuber finden Sie hier.