Experten empfehlen: Bei Fertilitäts- und Schwangerschaftsstörungen auf den Magnesiumstatus achten

Fruchtbarkeit hängt nicht unwesentlich von der Lebens- und Ernährungsweise und der Versorgung mit essentiellen Biofaktoren wie Mineralstoffen und Vitaminen ab. Der folgende Beitrag fokussiert sich auf die Bedeutung von Magnesium auf die weibliche und männliche Fertilität und den Verlauf einer Schwangerschaft.

Eine optimale Biofaktorenversorgung stellt grundsätzlich einen wichtigen Beitrag für die gesunde körperliche Entwicklung eines Menschen dar und spielt somit auch für die Fertilität eine wichtige Rolle. In einer aktuellen Publikation weisen Prof. Hans-Georg Classen, Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren (GfB) und Dr. med. Ingeborg Classen-Winkler darauf hin, dass insbesondere ein Magnesiummangel die Fertilität negativ beeinflussen kann.1

Bereits in den 1980er-Jahren stellten Wissenschaftler fest, dass die Zeugungsunfähigkeit beim Mann und Empfängnisstörungen bei der Frau mit dem Magnesiumstatus korrelierten können. Ein Magnesiumdefizit ist dabei mit verschiedenen Komplikationen des reproduktiven Systems verknüpft. Es ist zudem bekannt, dass Magnesium bedeutsam in der Proteinsynthese und der Zellteilung ist. „Ein Magnesiummangel kann nicht nur das Risiko für Unfruchtbarkeit erhöhen, sondern auch vermehrt zu Fehl- und Frühgeburten und einem niedrigen Geburtsgewicht führen“, warnt Prof. Classen von der GfB.

Magnesiummangel und Fertilität – so ist die Studienlage

Das polyzystische Ovarsyndroms (POCS) ist eine der häufigsten endokrinen Erkrankungen und Hormonstörungen der Frau und mögliche Ursache für Unfruchtbarkeit. „Etwa 7 bis 10 % der Frauen im gebärfähigen Alter sind vom POCS betroffen“, betont Prof. Classen. Das Risiko für die Entwicklung eines polyzystischen Ovarsyndroms kann mit einer Hypomagnesiämie verknüpft sein. Beispielsweise zeigte eine Studie an 103 Frauen mit PCOS und 103 gesunden Frauen, dass das PCOS-Risiko bei den Probanden mit einem Magnesiummangel 19-mal höher als bei Probanden mit einem normalen Magnesiumserumspiegel lag. Nach Anpassung an die Calciumkonzentration schwächte sich allerdings der Magnesiumeffekt im Hinblick auf eine PCOS-Entwicklung ab und wurde nicht signifikant.2 „Weitere gut designte Studien sind daher nötig, bevor eine regelhafte Magnesiumsupplementation empfohlen werden kann“, so Classen.

Das PCOS ist bekanntermaßen auch mit endokrinen und metabolischen Störungen wie der Hyperinsulinämie, Hyperglykämie, Glukoseintoleranz, Dyslipidämie und Adipositas verbunden. In einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie von 2021 zeigte eine Magnesiumsupplementierung – in Kombination mit Melatonin – positive Auswirkungen auf die Schlafqualität und das Gesamttestosteron. Darüber hinaus zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Serumspiegel von Insulin, HOMA-IR (Homöostase-Modell der Beurteilung der Insulinresistenz), Serumcholesterin, LDL- und HDL-Cholesterin.3

Magnesium und die männliche Fertilität

Auch als Ursache für männliche Unfruchtbarkeit kann ein Magnesiummangel in Frage kommen. Die Spermienqualität im Samen von unfruchtbaren Männern ist im Vergleich zu fruchtbaren Männern mit normalen Samenparametern durch einen reduzierten Gehalt an Magnesium, sowie Calcium und Zink gekennzeichnet.4 Auch die Prävalenz einer erektilen Dysfunktion, obwohl diese nicht generell mit Unfruchtbarkeit verbunden sein muss, ist bei einer Hypomagnesiämie höher als bei einer Normmagnesiämie.5 Studien haben außerdem gezeigt, dass die Einnahme von Magnesium die Sekretion von Gesamt-IGF-1 beeinflussen und die Bioaktivität von Testosteron erhöhen kann.6 Andere Untersuchungen konnten nachweisen, dass eine Magnesiumsupplementation die Gesamttestosteronwerte und die des freien Testosteron als sensitiverer Parameter für das biologisch wirksame Testosteron erhöhen kann.7

Auch an diese Magnesiumeffekte denken

Es gibt eine Vielzahl von Hinweisen, dass ein Magnesiummangel mit verschiedenen pathologischen Ereignissen in der Schwangerschaft assoziiert ist bzw. eine Magnesiumsupplementation zu einer Verbesserung des Schwangerschaftsverlaufs beitragen kann. Die Gesellschaft für Magnesium-Forschung bewertete daher Studien zur Bedeutung von Magnesium in der Schwangerschaft und spricht sich für eine generelle orale Magnesiumsupplementation von 240 bis 480 mg Magnesium täglich bei jeder Schwangeren aus, um einen Magnesiummangel zu verhindern und die positiven Effekte des Biofaktors nutzen zu können.8 Die orale Magnesiumsupplementierung sollte so früh wie möglich beginnen und bis zur Geburt und darüber hinaus fortgesetzt werden, da auch in der Stillzeit der Magnesiumbedarf erhöht ist.

In dem gemeinsamen Leitlinienprogramm der Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe Deutschland, Österreich und Schweiz zum Thema hypertensive Schwangerschaft wird zudem eine intravenöse Magnesiumtherapie von 16 bis 24 mmol (390 bis 580 mg) Magnesium in 15 bis 20 Minuten, gefolgt von 4 bis 6 mmol (98 bis 146 mg) in den folgenden 24 Stunden zur Behandlung der Präeeklampsie empfohlen.9

Fazit für die Praxis

Prof. Classen und Dr. Classen-Winkler betonen aufgrund der physiologischen Bedeutung von Magnesium und der derzeitigen Studienlage, sowohl in der Behandlung von Fertilitätsstörungen als auch für einen gesunden Schwangerschaftsverlauf der Versorgung mit dem Biofaktor Aufmerksamkeit zu schenken und einen Mangel gezielt auszugleichen.

Weitere Informationen zu den genannten und anderen Biofaktoren finden Sie hier.

Besteht der Verdacht, dass Sie oder Ihre Patienten unter einem Mangel an ausgewählten Biofaktoren leiden? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus.

Lesen Sie auch das Review:

J. Frank, K. Kisters, OA. Stirban, S. Lorkowski, M. Wallert, S. Egert, MC. Podszun, JA. Pettersen, S. Venturelli, HG. Classen, J. Golombek.:

The role of biofactors in the prevention and treatment of age-related diseases. Biofactors 2021, 47: 522-550, IF 6.113

https://iubmb.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/biof.1728

 

Literatur:


(1) Classen HG and Classen-Winkler I: Magnesium and human fertility. Letter to the editor. Trace Elements and Electrolytes, Vol. 39, No.2/2022

(2) Sharifi F et al.: Serum magnesium concentrations in polycystic ovary syndrome and its association with insulin resistance. Gynecol Endocrinol 2012 Jan; 28(1): 7-11 

(3) Alizadeh M et al.: Metabolic and hormonal effects of melatonin and/or magnesium supplementation in women with polycystic ovary syndrome: a randomized, double-blind, placebo-controlled trial. Nutr Metab 2021; 18: 57

(4) Chyra-Jach D et al.: Levels of Macro- and Trace Elements and Select Cytokines in the Semen of Infertile Men. Biol Trace Elem Res 2020 Oct; 197(2): 431-439

(5) Toprak O et al.: The impact of hypomagnesemia on erectile dysfunction in elderly, non-diabetic, stage 3 and 4 chronic kidney disease patients: a prospective cross-sectional study. Clin Interv Aging 2017 Feb 24; 12: 437-444

(6) Maggio M et al.: Magnesium and anabolic hormones in older men. Int J Androl 2011 Dec; 34(6 Pt 2): e594-600

(7) Cinar V et al.: Effects of magnesium supplementation on testosterone levels of athletes and sedentary subjects at rest and after exhaustion. Biol Trace Elem Res 2011 Apr; 140(1): 18-23

(8) Spätling L, Classen HG et al.: Magnesiumsupplementation in der Schwangerschaft

Empfehlungen der Gesellschaft für Magnesium-Forschung e.V. Frauenarzt 2015; 56: 892-897

(9) DGGG, OEGGG, SGGG: Leitlinienprogramm 2018: Hypertensive Schwangerschaft: Diagnostik und Therapie