Welche Biofaktoren in Schwangerschaft und Stillzeit?

Eine optimale Versorgung mit Biofaktoren wie Vitaminen und Mineralstoffen ist für die Gesundheit von Mutter und Kind von großer Bedeutung und kann Schwangerschaftskomplikationen vorbeugen oder diese lindern.

Folsäure ist essenziell für Blutbildung, Zellwachstum und -differenzierung. Daher gilt ein optimaler Folsäurestatus der Frau als relevant für eine normale kindliche Entwicklung - insbesondere zur Vermeidung fetaler Missbildungen wie Spina bifida oder Anenzephalie. „Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollen zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung 400 μg Folsäure pro Tag oder äquivalente Dosen anderer Folate in Form eines Supplements einnehmen“, heißt es in den Handlungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

So kann laut Studien das Risiko für die Entwicklung kindlicher Fehlbildungen, insbesondere von Neuralrohrdefekten um bis zu 80 % reduziert werden.2 Es gibt sogar Empfehlungen für eine präkonzeptionelle Supplementierung von 800 µg Folsäure täglich, um die erforderlichen Blutspiegel zu erreichen.3 Für Frauen, die in einer vorangegangenen Schwangerschaft bereits ein Kind mit einem Neuralrohrdefekt geboren haben, werden Folsäuredosen von 4 mg pro Tag empfohlen.4

An den Vitamin-D3-Status denken

98 % der Schwangeren weisen im Winter Serumkonzentrationen unterhalb der empfohlenen 50 nmol/l der Vorstufe Calcidiol (= 25-Hydroxy-Vitamin-D3) auf, und selbst im Sommer liegt die Quote noch bei fast 50 %.5 Und auch in der Stillzeit ist die Vitamin-D3-Versorgung der Mütter oft unzureichend – was sich auf die weitere kindliche Entwicklung negativ auswirken kann.

Laut Studienlage wirkt sich eine Vitamin-D3-Supplementation der Mutter positiv auf den Vitamin-D3-Status des Säuglings aus.6 Und ein optimaler Vitamin-D3-Status wiederum ist durch Einfluss auf Calciumhomöostase und Phosphathaushalt essenziell für die Rachitis-Prophylaxe und für die Entwicklung gesunder Knochen der heranwachsenden Kinder. 

Vitamin-D3-Mangel der Mutter – Risiko für kindlichen Typ-1-Diabetes

Niedrige mütterliche Calcidiol-Serumspiegel zum Zeitpunkt der Geburt sind mit einer erhöhten Gefahr verknüpft, dass die Kinder später an einem Typ-1-Diabetes erkranken.7 Vitamin D3 wirkt immunmodulatorisch durch den Vitamin-D-Rezeptor, der auf Pankreas- und Immunzellen vorhanden ist. Es ist ebenfalls gut dokumentiert, dass Kinder und Jugendliche mit einem Typ-1-Diabetes häufiger unter einem Vitamin-D3-Mangel leiden8 – und dass sich eine entsprechende Supplementation positiv auswirken kann.9

Praxisempfehlungen zur Eisensupplementation

Obwohl die Bedeutung des Biofaktors für schwangere und stillende Frauen bekannt und gut dokumentiert ist, gilt folgendes zu beachten:

  • Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist darauf hin, dass keine positiven Wirkungen einer über den Bedarf hinausreichenden Eisensupplementierung bekannt sind, während negative Wirkungen wie ein erhöhtes Risiko für Herz- und Krebserkrankungen nicht ausgeschlossen werden können.10
  • So empfiehlt auch die DGE „Eine gezielte Eisensupplementation zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung sollte nur bei einem diagnostizierten Eisenmangel erfolgen.“11
  • Ein nachgewiesener Eisenmangel oder eine manifeste Eisenmangelanämie sind unabhängig von Alter und Geschlecht der Person allerdings grundsätzlich eine Indikation zur Eisensupplementation. Die benötigte Menge des Biofaktors – initial 50-100 mg Fe2+ pro Tag – liegt dann deutlich über den Empfehlungen der DGE.12

Fazit für die Praxis?

Aufgrund physiologischer Funktionen, der aktuellen Datenlage sowie Empfehlungen und Leitlinien ist bei der Beratung schwangerer und stillender Frauen auf eine optimale Versorgung mit den hier vorgestellten Biofaktoren zu achten – mit dem Ziel, einem eventuellen Biofaktorenmangel und daraus resultierenden Schwangerschaftskomplikationen und negativen Folgen für die kindliche Entwicklung entgegenzuwirken. Statt der pauschalen Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln sollte ein potentieller Mangel relevanter Biofaktoren gezielt nachgewiesen und ausgeglichen werden.

 

Besteht der Verdacht, dass Sie oder Ihre Patienten unter einem Mangel an ausgewählten Biofaktoren leiden? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus.

Literatur


(1)  www.dge.de/ernaehrungspraxis/bevoelkerungsgruppen/schwangere-stillende/handlungsempfehlungen-zur-ernaehrung-in-der-schwangerschaft/#c7080

(2) Llamas Centeno MJ et al.: Folic acid: Primary prevention of neural tube defects. Literature Review. Arch Esp Urol 2016 Mar; 69(2): 73-85

(3) Obeid R et al.: The effectiveness of daily supplementation with 400 or 800 µg/day folate in reaching protective red blood folate concentrations in non-pregnant women: a randomized trial. Eur J Nutr 2018 Aug; 57(5): 1771-1780

(4) Petersen JM et al.: Periconceptional folic acid and risk for neural tube defects among higher risk pregnancies. Birth Defects Res 2019 Nov 15, 111(19): 1501-1512

(5) Schlereth F et al.: Vitamin D – mehr als ein Knochenhormon. Internist 2016; 57: 646-655

(6) Oberhelmann SS et al.: Maternal vitamin D supplementation to improve the vitamin D status of breast-fed infants: a randomized controlled trial. Mayo Clinic Proceedings 2013; 88: 1378-1387

(7) Tapia G et al.: Maternal and newborn vitamin D-binding protein, vitamin D levels, vitamin D receptor genotype, and childhood Type 1 Diabetes. Diabetes Care 2019; 42(4): 553-559

(8) Daskalopoulou M at el.: Vitamin D Deficiency as a Possible Cause of Type 1 Diabetes in Children and Adolescents up to 15 Years Old: A Systematic Review. Rev Diabet Stud 2022 Jun 30; 18(2): 58-67

(9) Gregoriou E et al.: The Effects of Vitamin D Supplementation in Newly Diagnosed Type 1 Diabetes Patients: Systematic Review of Randomized Controlled Trials. Rev Diabet Stud 2017 Summer-Fall; 14(2-3): 260-268 

(10) www.brf.de/a-z_index/eisen-5056/

(11)  www.dge.de/ernaehrungspraxis/bevoelkerungsgruppen/schwangere-stillende/handlungsempfehlungen-zur-ernaehrung-in-der-schwangerschaft/#c7080

(12) Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (Hrsg.): Leitlinie Eisenmangel und Eisenmangelanämie. Empfehlungen der Fachgesellschaft zur Diagnostik und Therapie hämatologischer und onkologischer Erkrankungen, 2011