Was können Biofaktoren bei rheumatoider Arthritis bewirken?

Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zählen zu den Biofaktoren, die bei verschiedensten Erkrankungen eine Rolle spielen. Auch bei Patienten mit rheumatoider Arthritis sollte auf eine optimale Versorgung mit einzelnen Biofaktoren geachtet werden.

„Menschen mit einer rheumatischen Erkrankung haben aufgrund der chronischen Entzündung einen höheren Nährstoffbedarf. Doch das bedeutet nicht automatisch grünes Licht für Nahrungsergänzungsmittel aller Art“, so die Deutsche Rheuma-Liga.1 Auch Prof. Hans Georg Classen, Arzt für Pharmakologie und Toxikologie und Vorsitzender der Gesellschaft für Biofaktoren e. V. (GfB) betont: „Es geht nicht um die pauschale Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit möglichst vielen Vitaminen und Mineralstoffen, weil die Rheumapatienten befürchten, dass ihre Ernährung zu wenig enthält. Es geht um eine an das Krankheitsgeschehen angepasste Supplementierung, also um den gezielten Einsatz einzelner und vor allem wissenschaftlich geprüfter Biofaktoren, die als zugelassene Arzneimittel die Therapie ergänzen können.“

Die Rolle der Antioxidantien

Bereits seit längerem wird der Einsatz von Antioxidantien wie Vitamin E, Vitamin C und Selen bei Rheumatoider Arthritis (RA) untersucht – aufgrund der Hypothese, dass antioxidative Effekte die erhöhte Konzentration reaktiver Sauerstoffspezies und vermehrten oxidativen Stress vermindern und dadurch entzündlichen Prozessen und einer Gewebe- und Gelenkschädigung entgegenwirken. Studien konnten zeigen, dass das antioxidative Abwehrsystem bei RA-Patienten zugunsten einer Lipidperoxidation verschoben ist, die zu den bei der Erkrankung beobachteten Gewebeschäden führen kann.2

Was sagt die aktuelle Studienlage?

Vitamin E:3,4,5

  • Vitamin-E-Plasmaspiegel und Vitamin-E-Konzentrationen in der Synovialflüssigkeit sind bei Patienten mit RA deutlich erniedrigt.
  • Vitamin E kann die Bildung freier Radikale bei bereits vorhandener Entzündung hemmen und einer erhöhten Oxidation von Membranlipiden entgegenwirken.
  • Auch die Ergebnisse von Interventionsstudien sind ermutigend. Beispielsweise konnte eine Metaanalyse aus dem Jahre 2023 an knapp 40.000 Patienten mit RA positive Effekte des Biofaktors zeigen.  „Vitamin-E-Ergänzungen … können Menschen mit RA helfen, Gelenkbeschwerden, Ödeme und Steifheit zu reduzieren und ihre allgemeine Lebensqualität zu verbessern“, so das Fazit der Autoren.
  • Eine kombinierte Supplementierung von Vitamin E und konjugierten Linolsäuren kann in der Prävention von Gefäßkomplikationen und Herzerkrankungen nützlich sein, die bekanntermaßen bei RA-Patienten häufiger auftreten.

Vitamin C:6,7

  • Die Vitamin-C-Konzentration im Blut von RA-Patienten ist signifikant niedriger im Vergleich zu gesunden Kontrollprobanden, während die Konzentration von Malondialdehyd – einem Marker für oxidativen Stress – signifikant höher liegt.
  • Tierexperimentelle Studien zeigen eine signifikant reduzierte Ödembildung und weniger Schmerzen durch Vitamin-C-Injektionen.
  • Eine geringere Aufnahme von Vitamin-C-reicher Kost wie frischem Obst und Gemüse wurde mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis in Zusammenhang gebracht.
  • Eine intravenöse Hochdosis-Vitamin-C-Behandlung kann auch beim Menschen signifikant Entzündungen reduzieren und wird daher als nützlich in der Behandlung von RA eingeschätzt.

 

Selen:8,9,10

  • Als Bestandteil der Glutathionperoxidase ist Selen ebenfalls in die antioxidative Abwehr eingebunden. Die Glutathionperoxidase greift über den Arachidonsäure-Stoffwechsel direkt in das Entzündungsgeschehen ein.
  • Es fanden sich bei RA-Patienten erniedrigte Selenkonzentrationen im Plasma, in den Erythrozyten und in der Synovialflüssigkeit gegenüber gesunden Kontrollprobanden. Auch konnte eine inverse Korrelation zwischen der Höhe des Selenspiegels und dem Risiko für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis nachgewiesen werden.
  • Einige Studien zeigten unter einer Selensupplementierung weniger Gelenkschmerzen, weniger geschwollene Gelenke, eine geringere Morgensteifigkeit und eine Reduzierung des Bedarfs an Kortison und NSAR.

Biofaktoren und Rheuma: wann supplementieren?

Für gesunde Menschen gilt in der Regel die Empfehlung, ihre Biofaktorenversorgung über eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten. Dies kann allerdings nicht auf RA-Patienten übertragen werden. Daher liegen auch die in den Studien eingesetzten Tagesdosen deutlich höher als von den D-A-CH-Fachgesellschaften empfohlen. Die Vitamin-E-Tagesdosis für gesunde Erwachsene sollte zwischen 12 und 15 mg liegen; bei Patienten mit RA wurden laut Datenlage Tagesdosen zwischen 400 und 1.200 mg eingesetzt. Bei Vitamin C empfehlen die Ernährungsgesellschaften zwischen 95 und 110 mg pro Tag, während in den Studien Vitamin C in der Regel intravenös und in hohen Dosen bis zu 10 g verabreicht wurden. Im Falle von Selen liegen die in den Studien eingesetzten Tagesdosen bei 200 µg, während zum Ausgleich eines Selenmangels maximal 66 µg empfohlen werden.

„Über die Nahrung kann man nicht mehr als 19 Milligramm Vitamin E täglich zu sich nehmen. Um die Blutspiegel des Vitamin E von Rheumakranken in den wünschenswerten Bereich anzuheben, sind pro Tag ungefähr 100 bis 200 mg Vitamin E erforderlich… 50 bis 100 µg Selen täglich können den Mehrbedarf bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen decken“, so lautet in diesem Zusammenhang die Empfehlung der Deutschen Rheuma-Liga.1

Fazit für die Praxis?

Auch wenn weitere gut designte und aktuellere Studien wünschenswert sind, könnten antioxidativ wirkende Biofaktoren in der Behandlung einer rheumatoiden Arthritis nützlich sein. Und es empfiehlt sich, einen eventuellen Mangel einzelner Biofaktoren gezielt auszugleichen.

 

Besteht der Verdacht, dass Sie oder Ihre Patienten unter einem Mangel an ausgewählten Biofaktoren leiden? Machen Sie den Biofaktoren-Check und finden Sie Ihr persönliches Risiko heraus.

 

Am 18. November 2023 fand das 13. Symposium der GfB als Online-Veranstaltung zum Thema „Biofaktoren und Hirnleistung – eine Bestandsaufnahme. Wissenschaftliche Erkenntnisse und fundierte Praxistipps“ statt.  Hier finden Sie weitere Informationen.

 

Literatur


(1) www.rheuma-liga.de/rheuma/alltag-mit-rheuma/ernaehrung/nahrungsergaenzungsmittel

(2) Jaswal S et al.: Antioxidant status in rheumatoid arthritis and role of antioxidant therapy. Clin Chim Acta 2003 Dec; 338(1-2): 123-129

(3) Darlington LG et al.: Antioxidants and fatty acids in the amelioration of rheumatoid arthritis and related disorders. Br J Nutr 2001; 85(3): 251-269

(4) Kou H et al.: Effect of vitamin E supplementation in rheumatoid arthritis: a systematic review and meta-analysis. Eur J Clin Nutr 2023 Feb; 77(2): 166-172 

(5) Aryaeian N et al.: Effect of conjugated linoleic acid, vitamin E and their combination on lipid profiles and blood pressure of Iranian adults with active rheumatoid arthritis. Vasc Health Risk Manag 2008; 4(6): 1423-1432

(6) Pattison DJ et al.: Vitamin C and the risk of developing inflammatory polyarthritis: prospective nested case-control study. Ann Rheum Dis 2004 Jul; 63(7): 843-847

(7) Mikirova N et al.: Effect of high dose intravenous ascorbic acid on the level of inflammation in patients with rheumatoid arthritis. Mod Res Inflammation 2012; 1: 26-32

(8) Turrubiates-Hernández FJ et al: The Relevance of Selenium Status in Rheumatoid Arthritis. Nutrients 2020 Sep 30; 12(10): 3007 

(9) Yazar M et al.: Synovial fluid and plasma selenium, copper, zinc, and iron concentrations in patients with rheumatoid arthritis and osteoarthritis. Biol Trace Elem Res 2005; 106: 123-132

(10) Qamar N et al.: Emerging role of selenium in treatment of rheumatoid arthritis: An insight on its antioxidant properties. Elem Med Biol 2021 Jul; 66: 126737